In Gebieten, in denen neu gebaut oder nachverdichtet wird, werden Vermieter immer häufiger mit Mietminderungen durch Mieter wegen des Baulärms konfrontiert. Zwar könnten die Mietvertragsparteien in einer sog. Beschaffenheitsvereinbarung die Duldung von näher zu definierendem Lärm, z.B. Baulärm vereinbaren und damit eine Mietminderung aus diesem Grund ausschließen. In der Praxis geschieht dies allerdings eher selten.
Fehlt eine solche Vereinbarung gilt nach der neuen Rechtsprechung Folgendes: Baulärm, auch wenn er sich im üblichen Rahmen hält, muss vom Mieter - im Gegensatz zu Verkehrslärm - grundsätzlich nicht geduldet werden. Die Rechtsprechung zu Verkehrslärm (BGH, Urteil v. 19.12.2012, VIII ZR 152/12, ZMR 2013, S. 269), wonach auch erhöhter Verkehrslärm nicht zu einer Mietminderung berechtigt, ist auf Baulärm nicht übertragbar, da in Großstadtlagen nicht generell mit Baulärm zu rechnen ist - im Gegensatz zu Straßenlärm, der dort regelmäßig auftritt (LG München I, Urteil v. 15.11.2018, 31 S 2182/18, ZMR 2019, S. 200; LG Hamburg, Urteil v. 21.12.2018, 316 S 71/18, ZMR 2019, S. 280). Ein Ausschluss des Minderungsrecht des Mieters (nach § 536 b BGB) kommt erst dann in Betracht, wenn er aufgrund konkreter Umstände (z.B. Baulücken in der näheren Umgebung) mit baulichen Veränderungen in der Nachbarschaft rechnen musste.
Bestehen zum Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses in einer Großstadtlage keine erkennbaren Baulücken in der Nachbarschaft, kann auch nicht eine schlüssige Beschaffenheitsvereinbarung dahingehend unterstellt werden, dass mit Baumaßnahmen zu rechnen ist. Eine Nachforschungspflicht des Mieters, die Hinterhöfe der Umgebung nach eventuellen Baulücken oder abrissreifen Gebäuden abzusuchen, besteht nicht (AG Nürnberg, Urteil v. 12.12.2018, 28 C 6191/18, WuM 2019, S. 433). Die abstrakte Möglichkeit von Baumaßnahmen, die nahezu immer und überall besteht, reicht für den Ausschluss einer Mietminderung somit nicht aus (AG München, Urteil v. 01.02.2018, 472 C 18927/16, ZMR 2019, S. 289). Allerdings rechtfertigen nur vorübergehende Belastungen durch Baulärm, die (lediglich) dazu führen, dass die Fenster tagsüber geschlossen gehalten werden müssen, nicht die Annahme eines zur Mietminderung führenden Mangels der Mietsache. Eine vorrübergehende erhöhte Lärmbelastung stellt unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer jedenfalls dann, wenn sie sich innerhalb der in Innenstadtlagen üblichen Grenzen hält, keinen zur Minderung berechtigenden Mangel dar, weil dem Vermieter mit Vertragsschluss nicht die Haftung für jedes allgemeine (Lebens-) Risiko auferlegt wird (LG Berlin, Urteil v. 23.01.2019, 65 S 170/18, GE 2019, S. 391).
Ferner muss der Mieter den Baulärm entschädigungsfrei dulden, wenn auch der Vermieter den Baulärm ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit als unwesentlich oder ortsüblich hätte hinnehmen müssen. Dabei trägt der Mieter die Beweislast für die tatsächliche Beeinträchtigung des Mietgebrauchs durch den Lärm. Der Vermieter trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er selbst die Imissionen ohne eigene Abwehr- und Entschädigungsmöglichkeit (nach § 906 BGB) als unwesentlich und ortsüblich hinnehmen muss (LG München I, Urteil v. 15.11.2018, 31 S 2182/18, ZMR 2019, S. 200; BGH, Urteil v. 29.04.2015, VIII ZR 197/14, ZMR 2015, S. 697 – sog. Bolzplatzentscheidung). Muss der Vermieter die Baumaßnahme auf dem Nachbargrundstück nur gegen Entschädigung dulden, ist die Höhe des Ausgleichsanspruchs des Vermieters gegen den Bauherrn (gem. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB) Maßstab für eine adäquate Minderung der vereinbarten Miete (AG München, Urteil v. 01.02.2018, 472 C 18927/16, ZMR 2019, S. 289).