Die Räum- und Streupflicht auf Straßen und Gehwegen bei Schnee und Eis ist grundsätzlich Aufgabe der Städte und Gemeinden. Diese wälzen ihre Pflicht jedoch in der Regel durch Verordnung bzw. Satzung ganz oder teilweise auf die anliegenden Hauseigentümer ab; diese wiederum durch Mietvertrag auf den oder die Mieter des Anwesens. Maßgeblich ist immer die für das jeweilige Gebiet geltende Verordnung bzw. Satzung, die bei der Stadt- oder Gemeindeverwaltung bezogen werden kann.
Im Bereich des Stadtgebiets München gilt die Münchner Straßenreinigungs- und -sicherungsverordnung vom 17.12.2010. Danach sind grundsätzlich die Eigentümer von Grundstücken, die an öffentliche Straßen angrenzen oder über diese erschlossen werden, zum Räumen und Streuen verpflichtet. Ist an einem Grundstück ein Erbbaurecht oder ein Nießbrauch bestellt, ist anstelle des Eigentümers der Erbbauberechtigte bzw. der Nießbraucher verpflichtet (§ 3 Abs. 2). Grenzt ein Grundstück an mehrere öffentliche Straßen oder wird es über mehrere öffentliche Straßen erschlossen, so besteht die Verpflichtung für jede dieser Straßen (§ 3 Abs. 3). Rechtsanwalt Rudolf Stürzer, Vorsitzender von HAUS + GRUND MÜNCHEN, informiert alle Leserinnen und Leser von szenario8.de im einzelnen.
„Befreit sind Eigentümer, deren Grundstücke im sog. Vollanschlussgebiet der städtischen Straßenreinigung gelegen sind. Dies ist in etwa der Bereich innerhalb des Mittleren Rings. Ein Verzeichnis der entsprechenden Straßen enthält die Straßenreinigungsverordnung. In solchen Bereichen, in denen der Stadt bzw. Gemeinde die Räum- und Streupflicht obliegt, können Hausbewohner jedoch nicht bestimmen, wie die Stadt bzw. Gemeinde ihrer Streupflicht nachkommt (Verwaltungsgericht Aachen, Urteil v. 5.1.2011, 6 L 539/10).
In diesen Bereichen sind Grundstückseigentümer und Vermieter regelmäßig nicht verpflichtet, über die Grundstücksgrenze hinaus Teile des öffentlichen Gehwegs zu räumen und zu streuen und haften daher auch ihren Mietern gegenüber grundsätzlich nicht für Schäden, die ihnen aufgrund von unzureichendem Räumen und Streuen durch die Stadt entstanden sind (BGH, Urteil v. 21.02.2018, VIII ZR 255/16, WuM 2018 S. 639). Eigentümer dieser Grundstücke sind zum Räumen und Streuen nur in Ausnahmefällen verpflichtet, so z. B. wenn durch außerordentliche Umstände, wie Unwetterkatastrophen oder Streiks die städtische Straßenreinigung ihren Aufgaben nicht nachkommen kann und Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz drohen.
Auch dann besteht die Räum- und Streupflicht des Grundstückseigentümers aber erst, wenn der Eintritt eines solchen Falles durch Rundfunk, Presse, Anschlag oder auf eine sonstige geeignete Weise bekannt gegeben wurde (§ 12 Abs. 2). Ein hohes Alter entbindet nicht von der Räum- und Streupflicht, da der Eigentümer bzw. der Mieter, auf den diese Pflichten übertragen wurden, einen Dritten mit den Arbeiten beauftragen muss, wenn er sie selbst nicht mehr verrichten kann (so das Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 20.11.2010, AZ: VG 1 L 299.4 für 95-jährige Anwohnerin).
Wann muss geräumt werden?
Grundstückseigentümer außerhalb dieses Gebiets sind verpflichtet, die auf ihr Grundstück entfallenen Sicherungsflächen bei Schnee, Schneeglätte oder Eisbildung in sicherem Zustand zu erhalten (§ 5 Abs. 1). Zu diesem Zweck haben sie an Werktagen (auch Samstag) spätestens bis 7.00 Uhr und an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen spätestens bis 8.00 Uhr die Gehbahnen von Schnee zu räumen und bei Winterglätte mit Sand oder anderen geeigneten Mitteln zu bestreuen bzw. das Eis zu beseitigen. Ausreichend ist eine Breite von ca. 1 m – 1,20 m im mittleren Bereich der Gehbahn, so dass 2 Personen gefahrlos aneinander vorbei gehen können (BGH, Urteile v. 21.02.2018, VIII ZR 255/16, WuM 2018 S. 639 und v. 9.10.2003, III ZR 8/03).
Die Sicherungsmaßnahmen sind bis 20.00 Uhr so oft zu wiederholen, wie dies zur Verhütung von Gefahren erforderlich ist. Der Eigentümer eines Wohnhauses muss im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich auch dafür sorgen, dass Postzusteller den neben dem Hauseingang befindlichen Wohnungsbriefkasten auch bei Schneefall gefahrlos erreichen können. Welche Bereiche eines Fußwegs auf dem Grundstück aus diesem Grund zu Räumen und Streuen sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 05.01.2016, 9 U 108/14, DWW 2016, S.181).
Bei Straßen ohne Gehweg muss die Satzung zweifelsfrei regeln, auf welcher Seite der Straße gestreut werden muss. Sind die Räum- und Streupflichten für die Anlieger unklar und unbestimmt, kann eine wirksame Übernahme der Verkehrssicherungspflicht nicht entstehen, so dass diese Pflichten bei der Gemeinde/Stadt verbleiben. Bestimmt die Satzung, auf welcher Seite einer Fahrstraße ohne Gehweg geräumt und gestreut werden muss, genügt es, wenn der Verkehrssicherungspflichtige auf einer Seite der Straße einen Streifen von 1 m Breite für Fußgänger räumt und streut (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13.2.2014, 9 U 143/13).
Wird ein Gehweg von einer Überfahrt z.B. zu einem anderen Grundstück gekreuzt, verliert er dadurch nicht seine Eigenschaft als Gehweg. Daher bleibt der für den Gehweg zuständige Hauseigentümer auch im Bereich der Überfahrt verkehrssicherungspflichtig, auch wenn diese zu einem anderen Grundstück führt (OLG Braunschweig, Urteil v. 16.12.2015, 3 U 13/15).
Die Anwendung von ätzenden Stoffen, wie z. B. Streusalz u. ä. ist untersagt (§ 5 Abs. 2). Die Anwendung von untauglichen Stoffen, z.B. Hobelspänen, ist zwar nicht untersagt. Allerdings genügt der für eine Verkehrsfläche Räum- und Streupflichtige seiner Pflicht nicht dadurch, dass er die eis- und schneeglatte Fläche mit Hobelspänen bestreut, da diese keine nennenswerte abstumpfende Wirkung entfalten (OLG Hamm, Urteil vom 24.11.2014, 6 U 92/12 GE 2015, S. 321).
Allerdings kann ein Fußgänger nach einem neuen Urteil des BGH keinen durchgängig eisfreien Bürgersteig erwarten. Er muss immer mit Streulücken rechnen und kann keinen lückenlosen Schutz fordern (BGH, Urteil v. 20.6.2013, III ZR 336/12).
Ferner können vor Einsetzen des Berufsverkehrs, d. h. vor 7 Uhr morgens nach einem weiteren Urteil des OLG Koblenz (1 U 491/11) geräumte und gestreute Straßen und Gehwege nicht erwartet werden. Ferner muss in der kalten Jahreszeit bei Tauwetter auch mit überfrierender Nässe gerechnet werden (OLG Naumburg, 10 U 44/11).
Mitverantwortung von Fußgängern
Fußgängern wird von der neueren Rechtsprechung zunehmend eine gewisse Eigenverantwortlichkeit auferlegt. Ist erkennbar, dass ein Gehweg nach Schneefall weder von Schnee und Eis geräumt noch mit abstumpfen- den Mitteln gestreut wurde, hat der Benutzer des Weges Anlass zu gesteigerter Aufmerksamkeit und Vorsicht. Kommt er dennoch zu Fall, spricht dies in der Regel dafür, dass er die gebotene Vorsicht außer Acht gelassen hat und ihm ein Mitverschulden anzurechnen ist (OLG Bremen, Beschluss v. 21.8.2013, 3 W 20/13, GE 2014 S. 190).
Gleiches gilt, wenn aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles, insbesondere nach Lage und Ausdehnung der Gefahrenstelle bereits das Bestehen einer Räum- und Streupflicht zweifelhaft ist. Auch dann trägt der Geschädigte, der sich der Gefahr leichtsinnig ausgesetzt hat, den Schaden allein (OLG Naumburg, Urteil vom 19.10.2015, 1 U 34/15, NZM 2016 S. 587).
Fußgänger dürfen auch nicht blindlings darauf vertrauen, dass überall lückenlos gestreut wird und können nicht erwarten, dass bei rasch auftretender Glätte einzelne rutschige Stellen unmittelbar nach deren Auftreten komplett beseitigt sind (OLG Rostock, Urteil v. 4.4.2008, AZ: 5 U 10/08).
Ferner kann nicht von einer allgemeinen Glättebildung ausgegangen werden, die eine Streupflicht begründen könnte, wenn im Bereich eines Grundstücks nur vereinzelte Glättestellen (hier: 20 x 30 cm große Eisplatte) ohne erkennbare Anhaltspunkte für eine ernsthaft drohende Gefahr vorhanden sind (BGH, Urteil v. 12.6.2012, VI ZR 138/11, NJW 2012, 2727).
Gleiches gilt nach einem neuen BGH-Urteil, wenn sich auf dem Gehweg vor einem Hausgrundstück lediglich eine ca. 1 x 1m große Glatteisfläche befindet; der Gehweg aber im Übrigen geräumt war. In diesem Fall liegen die Voraussetzungen einer Räum- und Streupflicht des Grundstückseigentümers bzw. Mieters nicht vor. Diese setzt nämlich voraus, dass entweder eine „allgemeine Glätte“ oder „erkennbare Anhaltspunkte für eine ernsthaft drohende Gefahr“ vorliegen. Bei einer einzelnen Eisplatte ist dies nicht der Fall. Diese Rechtslage besteht nach dem Urteil des BGH auch dann, wenn die Winterdienstsatzung der Stadt bzw. Gemeinde diesen Sachverhalt nicht ausdrücklich regelt. Solche Satzungen können nämlich keine Leistungspflichten begründen, die über die Grenze der allgemeinen Verkehrssicherungspflichten hinausgehen (BGH, Urteil v. 14.02.2017, VI ZR 254/16).
Ein Mitverschulden des Geschädigten kann z.B. auch vorliegen, wenn er mit einem für die Witterungsverhältnisse ungeeigneten Schuhwerk unterwegs war. Gleiches gilt, wenn ein bestimmter Weg (z. B. zur Mülltonne) erkennbar stark vereist ist, der Geschädigte diesen aber trotz eines vorhandenen und besser begehbaren, aber etwas längeren Ausweichweges benutzt und dort stürzt. Auch in diesem Fall hat der Geschädigte seine Sorgfaltspflicht in hohem Maße verletzt, so dass eine Ersatzpflicht des Räum- und Streupflichtigen entfällt (AG München, Urteil v. 27.7.2012, 212 C 12366/12).
Ein Mitverschulden des Geschädigten ist grundsätzlich anzunehmen, wenn ihm eine gefahrlose Alternative zur Verfügung stand und kein besonderer Anlass das Betreten einer nicht geräumten und gestreuten Fläche (z. B. des Gehwegs) bestand; der Geschädigte aber trotzdem ohne besondere Not und in Kenntnis einer möglichen Glätte den Gehweg betreten hat. Allerdings müssen konkrete Feststellungen getroffen werden; der pauschale Vorwurf, der Geschädigte hätte keine ausreichenden Vorkehrungen zur Beherrschung der Gefahr getroffen, reicht nicht aus (OLG Brandenburg, Urteil v. 23.7.2013, 6 U 95/12, DWW 2013, S. 300).
Dementsprechend besteht auch keine Haftung des Eigentümers, wenn ein Privatgrundstück (hier: Garagenvorplatz) mit Duldung des Eigentümers von Personen aus Bequemlichkeit zur Abkürzung benutzt wird (OLG Hamm, Urteil v. 16.5.2013, 6 U 178/12; OLG München, Beck RS 2009, 86690).
Befreiung von der Räum- und Streupflicht
Eine vorübergehende Befreiung von Räum- und Streupflicht besteht nach der Rechtsprechung, wenn und so lange Räumen und Streuen sinnlos wäre, z. B. bei sehr starkem Schneefall. In diesem Fall setzt die Räum- und Streupflicht nach Abklingen der starken Niederschläge wieder ein (so z. B. OLG Celle, 9 U 220/03); allerdings erst nach einer angemessenen Wartezeit, in der der Verkehrssicherungspflichtige prüfen kann, ob der Schneefall nur vorübergehend unterbrochen oder tatsächlich beendet ist.
Ferner besteht eine angemessene Frist zur Erfüllung der Räum- und Streupflicht. Diese richtet sich nach den räumlichen Verhältnissen und der Stärke des Schneefalls. Vom Verkehrssicherungspflichtigen kann nicht in jedem Fall erwartet werden, dass er den Gehweg bereits eine halbe Stunde nach Beendigung des Schneetreibens geräumt hat (so z. B. OLG Naumburg, Urteil v. 6.10.1999, 12 U 144/99, MDR 2000, 520). Dagegen besteht bei anhaltender überfrierender Nässe, z. B. bei gefrierendem Sprühregen nach Auffassung des KG Berlin die wiederholte Verpflichtung zum Streuen, sobald die Wirkung des Streuguts nachgelassen hat (KG Berlin, Urteil v. 30.4.2004, 14 U 159/02).
An die Behauptung, Streuen wäre z.B. wegen anhaltenden Schneefalls zwecklos gewesen, sind hohe Anforderungen zu stellen. Ferner muss diese Behauptung vom Verkehrssicherungspflichtigen bewiesen werden (BGH, VI ZR 219/04). Ferner können vorbeugende Sicherungspflichten bestehen, wenn das Auftreten von Glätte in den folgenden Stunden, in denen eine Räum- und Streupflicht nicht besteht, mit hinreichender Sicherheit absehbar ist. Erforderlich für das Bestehen einer solchen vorbeugenden Sicherungspflicht sind allerdings hinreichend konkrete Umstände, dass an dieser Stelle Glättegefahr besteht; allgemeine Angaben in einem Wetterbericht für ganz Deutschland reichen hierfür alleine nicht aus (OLG Brandenburg, Urteil vom 18.1.2007, 5 U 86/06, WuM 2007, 137).
Ohne konkrete Anhaltspunkte für Schneefall oder gefrierenden Regen besteht keine Pflicht des Eigentümers zur Kontrolle des Gehwegs auf Glatteisbildung. Dementsprechend kann bei trockenem Wetter keine fortlaufende Beseitigung bloßer Tropfeisbildung verlangt werden (OLG Karlsruhe, Urteil v. 10.9.2008, 7 U 237/07).
Keine Sondervorschriften für Radfahrer
Der Verkehrssicherungspflichtige muss im Hinblick auf Fahrradfahrer keine besonderen Vorkehrungen treffen. Auch Radfahrern obliegt es, das Risiko eines Sturzes, z. B. durch Absteigen an gefährlichen Stellen, selbst zu mindern (OLG Celle, Urteil v. 22.11.2000, 9 U 104/00).
Räum- und Streupflicht an privater Garagenzufahrt
Der Umfang der Räum- und Streupflicht bestimmt sich nach den örtlichen Gegebenheiten. Grundsätzlich sind die bestimmungsgemäßen Zuwege des Mietobjekts (Hauseingang, Wege zum Hof, Garten, Mülltonne, Tiefgarage) schnee- und eisfrei zu halten (OLG Karlsruhe, Urteil v. 30.12.2008, 14 U 107/07).Ist eine private Garagenzufahrt für den zu erwartenden Besucherverkehr nur von untergeordneter Bedeutung, sind nach Auffassung des OLG Nürnberg in dem betreffenden Bereich keine besonderen Sicherungsmaßnahmen erforderlich. Verkehrsteilnehmern kann in solchen Fällen und auf kurzen Strecken zugemutet werden, auf winterliche Glätte zu achten, etwaige Gefahren selbst zu meistern und das verhältnismäßig geringe Restrisiko beim Überwinden der kurzen, nicht geräumten Zufahrtsfläche hinzunehmen (OLG Nürnberg, Urteil v. 30.12.2008, 6 U 186/08).
Übertragung auf Mieter ist zulässig
Der Hauseigentümer kann seine Räum- und Streupflichten auf den bzw. die Mieter des Anwesens übertragen. Erforderlich ist eine klare und eindeutige Vereinbarung, z. B. im Mietvertrag (BGH, Urteil v. 22.1.2008, VI ZR 126/07, WuM 2008, 235). Das bloße Aufstellen und Einwerfen eines „Schneeräumplans“ in die Briefkästen der Mieter ist nicht ausreichend (OLG Hamm, Urteil v. 21.12.2012, 9 U 38/12, NZM 2013, S. 358). Bei mehreren Mietern muss der Vermieter auch darauf achten, dass es nicht zu unangemessenen Ungleichbehandlungen der Mieter kommt, z. B. dadurch, dass die Überbürdung nur einzelne Mieter (z. B. die Erdgeschossmieter) und nicht alle Mieter eines größeren Mietobjektes betrifft.
Daher ist die formularmäßige Überbürdung des Winterdienstes auf nur 3 von 24 Parteien überraschend und damit unwirksam (AG Köln, Urteil v. 14.9.2011, 211 C 170/11, MDR 2012, 395 sowie OLG Hamm, Urteil v. 21.12.2012, a. a. O.). Insofern gibt es auch kein Gewohnheitsrecht, dass Erdgeschossmieter automatisch räumen und streuen müssen (OLG Frankfurt, 16 U 123/87). Ist die Übertragung lediglich in einer vorformulierten Hausordnung enthalten, ist dies wirksam, wenn die Hausordnung Bestandteil des Mietvertrages ist (OLG Frankfurt, WuM 1998, 399).
Wird dagegen im Mietvertrag nur auf die Hausordnung verwiesen bzw. ist sie dem Vertrag nur als loser Anhang beigefügt oder lediglich auf der Rückseite des Vertrages abgedruckt, ohne dass sie unterschrieben wurde, handelt es sich nach Auffassung des OLG Frankfurt (a. a. O.) um eine sog. überraschende Klausel i. S. v. § 305 c Abs. 2 BGB, mit der Folge, dass die Räum- und Streupflicht nicht wirksam auf den Mieter übertragen worden ist. Obliegt mehreren Mietern eines Mehrfamilienhauses die gemeinschaftliche Pflicht zur Durchführung des Winterdienstes und erleidet einer der Mieter auf dem bei Eisglätte nicht gestreuten bzw. sonst abgestumpften Privatweg auf dem Grundstück einen Unfall, kommt ein Schadenersatzanspruch unter den Mitverpflichteten nicht in Betracht.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Gemeinschaft eine klare Aufgabenteilung, z.B. durch Aufstellung eines Winterdienstplans vereinbart hat (OLG Naumburg, Urteil v. 27.2.2014, 2 U 77/13, NJW-RR 2014 S. 1166). Auch bei wirksamer Übertragung der Räum- und Streupflicht auf den Mieter verbleiben dem Eigentümer Kontroll- und Überwachungspflichten. An diese Verpflichtung wird von der Rechtsprechung ein strenger Maßstab angelegt.
Danach darf sich der Eigentümer nicht mit einer formellen Übertragung der Verpflichtung auf den Mieter begnügen, sondern muss sich in regelmäßigen Abständen davon überzeugen, dass der Mieter seine Verpflichtungen auch ordnungsgemäß erfüllt. Im Streitfalle obliegt es dem Vermieter, substantiiert darzulegen und zu beweisen, wie er die Übertragung der Räum- und Streupflicht geregelt und die Erfüllung der Pflicht durch den Mieter überwacht hat (so z. B. OLG Köln, Urteil v. 17.11.1995, WuM 1996, 226).
Daher sollten Eigentümer die Überwachung von Zeit zu Zeit dokumentieren, z. B. durch Fotos der vom Verpflichteten ordnungsgemäß geräumten Fläche. Nach Darlegung dieser Umstände durch den Vermieter trägt allerdings der Geschädigte die Beweislast dafür, dass der Vermieter seinen Überwachungspflichten nicht nachgekommen ist (OLG Köln, Beschluss v. 12.1.2012, 19 U 141/11). Kommt ein Passant zu Schaden, weil der Mieter unzureichend geräumt oder gestreut hat, haftet der Eigentümer nur, wenn der Mieter beweisen kann, dass der Eigentümer seine Kontroll- und Überwachungspflichten verletzt hat (OLG Schleswig, Urteil v. 28.02.2012, 11 U 137/11).
Übernimmt ein Mieter den Winterdienst ohne konkrete Absprache mit dem Vermieter und kommt es jahrelang zu keinen Schäden, so ist der Vermieter einem sodann infolge eines Sturzes auf einer vereisten Fläche Geschädigten nicht wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verantwortlich (LG Hildesheim, Urteil vom 5.6.2007, 3 O 375/06, MDR 2007, 1194).
Wohin mit dem Schnee?
Geräumter Schnee muss grundsätzlich auf dem eigenen Grundstück gelagert werden. Der Schnee darf daher nicht vor die Einfahrt des Nachbarn geschoben oder über den Grundstückszaun geworfen werden. Allerdings stellt es nach einem Urteil des AG München eine nur unerhebliche Beeinträchtigung des eigenen Grundstücks und damit keinen Grund für eine Unterlassungsklage dar, wenn der Nachbar im Winter dreimal ein oder zwei Schaufeln mit Schnee auf das Nachbargrundstück geworfen hat. Ein solches Verhalten sei zwar geeignet, den Nachbar zu provozieren und das Verhältnis weiter zu verschlechtern. Jedoch habe es – so das AG München - keine spürbaren Auswirkungen auf die rechtliche oder tatsächliche Herrschaftsmacht des Grundstückseigentümers, da es sich letztlich nur um ein paar Liter Wasser handelt, die von selbst im Boden verschwinden, sobald die Temperaturen über dem Gefrierpunkt liegen (AG München, Urteil v. 20.07.2017, 213 C 7060/17).
Keine Räum- und Streupflicht zur Nachtzeit
Die Räum- und Streupflicht ist regelmäßig auf den Zeitraum zwischen dem Einsetzen des allgemeinen Verkehrs am Morgen und dessen Ende in den Abendstunden beschränkt. Wer sich außerhalb den in der Verordnung bzw. Satzung festgelegten Räum- und Streuzeiten bewegt, darf eine Verkehrssicherung grundsätzlich nicht erwarten (OLG Koblenz, Urteil v. 20.2.2008, 5 U 101/08, NZM 2008, 687).
Wer somit vor 7 Uhr morgens das Haus verlässt, kann sich nicht darauf verlassen, dass Wege und Straßen geräumt sind (OLG München, Urteil v. 1.10.2009, 1 U 3243/09). Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn es der Vermieter zu vertreten hat, dass auf seinem Gelände zur Nachtzeit vertragsgemäß erheblicher Publikumsverkehr stattfindet. Nur dann muss er auch für dessen Sicherheit sorgen (OLG Koblenz, a.a. O.).
Wer trägt die Beweislast?
Grundsätzlich trägt der Geschädigte die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen, aus denen nach den Grundsätzen der Verkehrssicherungspflicht eine Streupflicht erwächst. Bei Glatteisunfällen sind nach der Rechtsprechung jedoch die Regeln über den Anscheinsbeweis anwendbar, wenn der Verletzte innerhalb der zeitlichen Grenzen der Streupflicht zu Fall gekommen ist (so zuletzt OLG Karlsruhe, Beschluss v. 05.01.2016, 9 U 108/14, DWW 2016, S. 181).
Dann spricht – ähnlich wie bei einem Verstoß gegen konkret gefasste Unfallverhütungsvorschriften – nach dem ersten Anschein eine Vermutung dafür, dass es bei Beachtung der Vorschriften über die Streupflicht nicht zu den Verletzungen gekommen wäre, dass sich also in dem Unfall gerade diejenige Gefahr verwirklicht hat, deren Eintritt die Schutzvorschriften verhindern wollten. Diese Beweiserleichterung greift mithin aber erst, wenn zuvor festgestellt worden ist, dass das Unfallereignis in einem Zeitraum stattgefunden hat, währenddessen die Unfallstelle gestreut werden musste. Dies hat der Geschädigte nachzuweisen (BGH, Beschluss v. 26.2.2009, III ZR 225/08, NJW 2009, 3302). Wer nach Ablauf der mit der Streupflicht verbundenen Tageszeit durch Glätte stürzt, muss beweisen, dass sich der Unfall bei Erfüllung der Streupflicht in der vorgeschriebenen Zeit nicht ereignet hätte (BGH, Beschluss v. 11.8.2009, VI ZR 163/08, WuM 2009, 677).
Übertragung auf Dienstleister
Beim Einsatz von Hilfspersonen und Beauftragten zur Erfüllung der Winterdienstpflichten (z.B. Hausmeisterservice) ist eine sorgfältige Auswahl, eine gründliche Anweisung über die Art des Räumens und Streuens sowie eine Überwachung der bestellten Hilfskräfte notwendig. Allein die Beauftragung einer Hausverwaltung genügt nicht (OLG Hamm, Urteil v. 21.12.2012, a. a. O.).
In diesem Fall gibt es für den Geschädigten auch nicht - wie bei Verletzung der primären Räum- und Streupflicht – die Beweiserleichterung des sog. Anscheinsbeweises d.h. es wird nicht vermutet, dass es bei Beachtung der Vorschriften nicht zu Verletzungen gekommen wäre. Vielmehr trägt der Geschädigte die Beweislast für die Kausalität zwischen seinem Schaden und der Pflichtverletzung des Dienstleisters (OLG Frankfurt, Beschluss v. 22.12.2017, 3 U 186/16).
Unbeschadet dessen sollte bei Übertragung des Winterdienstes auf einen Dienstleister darauf geachtet werden, dass dieser eine ausreichende Betriebshaftpflichtversicherung hat.
Steuerbonus für Winterdienst
Hat der Hauseigentümer den Winterdienst auf ein gewerbliches Unternehmen übertragen, kann er die Kosten in seiner Steuererklärung als Kosten haushaltsnaher Dienstleistungen geltend machen und erhält einen Steuerbonus in Höhe von 20% der Kosten, allerdings nur bei bargeldloser Zahlung aufgrund einer ordnungsgemäßen Rechnung. Dies gilt nach einem Urteil des BFH unabhängig davon, ob der Winterdienst innerhalb des eigenen Grundstücks oder auf einem entlang dem Grundstück verlaufenden Grund durchgeführt wurde (BFH, Urteil v. 20.3.2014, VI R 55/12).
Auch Mieter können die Kosten des Winterdienstes in ihrer Steuererklärung geltend machen, wenn diese in der Betriebskostenabrechnung ausgewiesen sind.
Beispiel: Hat ein Eigentümer/ Mieter € 500,00 für den Winterdienst bezahlt, vermindert sich die zu zahlende Einkommenssteuer um € 100,00. Eine Vernachlässigung der Räum- und Streupflicht kann für den Grundstückseigentümer teuer werden. In zahlreichen Urteilen hat die Rechtsprechung geschädigten Personen Ansprüche auf Schadenersatz u. a. auf Schmerzensgeld, Verdienstausfall und Behandlungskosten zuerkannt. Dabei ist in jedem Einzelfall aber auch zu prüfen, ob ein Mitverschulden des Geschädigten vorliegt. In diesem Fall werden Ansprüche des Geschädigten entsprechend seinem Mitverschulden gekürzt. Zu empfehlen ist der Abschluss einer Haftpflichtversicherung, die solche zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche abdeckt und auch evtl. Prozesskosten übernimmt. Bußgelder nach der Straßenreinigungs- und -sicherungsverordnung bzw. Geldstrafen wegen fahrlässiger Körperverletzung, wenn aufgrund der Vernachlässigung der Räum- und Streupflicht eine Person zu Schaden kommt, werden von der Versicherung allerdings nicht übernommen.