Interessante Urteile für Vermieter und Mieter (April 2022)

„Wer bist du? Halt die Fresse!“ - Das reicht für fristlose Kündigung

Der Vermieter kann ein Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich und fristlos d.h. ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Ein wichtiger Grund liegt auch dann vor, wenn der Mieter den Hausfrieden nachhaltig stört. Eine vorherige Abmahnung des Mieters ist nicht erforderlich, wenn durch dessen Handlung das Vertrauen zwischen den Vertragsparteien zerstört worden ist.

In dem vom AG München entschiedenen Fall, war es nach der Hausordnung des Mehrfamilienhauses ohne Einwilligung des Vermieters nicht gestattet, in der Garagenauffahrt, in den Gängen oder im Treppenhaus Fahrräder oder Kinderwägen abzustellen. Dennoch stellten zwei Mieter ihre Fahrräder im Eingangsbereich des Hauses ab und behinderten damit eine Familie, die mit ihren Kinderwagen daran nicht mehr vorbei gekommen ist. Bei dem Versuch des Vermieters, in dem Streit zwischen den Mietern zu vermitteln, eskalierte der Streit, wobei einer der Bewohner den Vermieter anfuhr: „Wer bist du? Halt die Fresse!“ und dabei auch seine Hand in Richtung Oberkörper des Vermieters bewegte, so dass dieser ausweichen musste. Darauf erstattete der Vermieter Strafanzeige und kündigte den Mietern fristlos. Das AG München bestätigte die Wirksamkeit der Kündigung mit der Begründung, dass die Zurechtweisung des Vermieters im Beisein anderer Hausbewohner eine Nichtachtung und Missachtung darstellt und den Vermieter „auf eine unmenschliche Ebene herabwürdigt“. Hinzu kommt, dass die Beleidigung von Tätlichkeiten flankiert gewesen sei, „welche zugleich zumindest nötigenden Charakter hatten“. Eine Abmahnung war nicht notwendig, da durch die schwere Beleidigung das für die Vertragserfüllung unerlässliche Vertrauen zerstört worden ist (AG München, Urteil v. 13.01.2022, Az. 473 C 9473/21).

 

Bedrohung rechtfertigt fristlose Kündigung

Wird ein Mitmieter, der sich wegen nächtlichen ruhestörenden Lärms beschwert, deswegen bedroht, rechtfertigt dies eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB. Der Vermieter kann ein Mietverhältnis außerordentlich und fristlos d.h. ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht zugemutet werden kann. Die Androhung von Gewalt rechtfertigt regelmäßig eine außerordentliche Kündigung; es sei denn, der Bedrohte hat Anlass zur Gewaltandrohung gegeben. In dem vom AG Berlin-Köpenick entschiedenen Fall beschwerte sich ein Mitmieter bei dem beklagten Mieter, weil dieser auch noch nach Mitternacht laute Musik gehört hat. Daraufhin drohte der Mieter dem Mitmieter, ihn umzubringen, wenn er sich noch einmal beschweren sollte. Als sich der Mitmieter einige Tage später erneut über laute Musik nach Mitternacht beschwerte, bedrohte ihn der Mieter mit einem Holz, das einem Baseballschläger ähnelte und den Worten „Ich werde dich umbringen“. Die darauf erfolgte Kündigung des Vermieters sah das Gericht als rechtens an und gab der Räumungsklage statt. Der Mitmieter habe sich wegen der Ruhestörung zu Recht beschwert, daher keinerlei Anlass zu dieser Gewaltandrohung gegeben. Dabei hat das Gericht das von dem bedrohten Mieter per Handy aufgenommene Video als Beweis verwertet, da dieser zur Aufnahme befugt war, um seine berechtigten Interessen wahrzunehmen (§ 201a Abs. 4 StGB). Eine vorherige Abmahnung war nicht erforderlich, weil das Vertrauensverhältnis durch die Drohung nachhaltig zerstört ist und durch eine Aufforderung, zukünftige Drohungen zu unterlassen, nicht wiederhergestellt werden kann. Letztlich hatte der gekündigte Mieter dem Vermieter auch die Rechtsanwaltskosten zu ersetzen (AG Berlin-Köpenick, Urteil v. 07.01.2022, 3 C 33/21, GE 2022, S. 154).

 

Schönheitsreparaturen - Ölen statt Lackieren nur bei klarer Vereinbarung

Werden dem Mieter abgeschliffene/abgebeizte Türen übergeben und enthält die vertragliche Abwälzung der Schönheitsreparaturen die Verpflichtung zum „Streichen der Innentüren“, erfüllt der Mieter seine Verpflichtungen durch ein Streichen der Innentüren und Rahmen durch einen zurückhaltenden üblicherweise weißen Anstrich; ein Ölen der Türen kann der Vermieter mangels explizierter anderer Absprachen nicht erwarten. Dies hat das LG Berlin entschieden. Der Mieter kann auch formularvertraglich zur turnusmäßigen Durchführung der sog. Schönheitsreparaturen verpflichtet werden, d.h. u.a. zum Streichen der Decken und Wände, der Heizkörper einschließlich Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen. Diese Malerarbeiten muss der Mieter zumindest in mittlerer Art und Güte ausführen. Eine Ausführung durch einen Fachbetrieb kann nicht ver-langt werden. Die farbliche Gestaltung muss vom Mieter so gewählt werden, dass sie für einen möglichst großen Interessentenkreis akzeptabel ist d.h. grundsätzlich sind helle und dezente Anstriche zu verwenden. In dem vom LG Berlin zu entscheidenden Fall waren die Innentüren bei Mietbeginn abgeschliffenen und abgebeizt. Da der Mieter die Türen nicht geölt, sondern weiß gestrichen hat, verlangte der Vermieter Schadensersatz mit der Begründung, dies sei nicht fachgerecht und stelle eine Beschädigung der Mietsache dar. Das LG Berlin bestätigte den Einwand der Mieter, dass sich aus dem Vertrag eine Pflicht, die Türen zu ölen, nicht ableiten lässt. Die Formulierung im Mietvertrag verlangt lediglich das Streichen der Türen. Anderweitige Vereinbarungen bedürfen einer eindeutigen und klaren Regelung. Da es sich um eine formularmäßige Regelung handelt, gehen Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Vermieters (§ 305c Abs. 2 BGB). Hätte der Vermieter die Mieter verpflichten wollen, die bei Mietbeginn abgebeizten bzw. abgeschliffenen Türen zu ölen, hätte er dies konkret so formulieren müssen. Andernfalls darf der Mieter davon ausgehen, dass ein weißer Anstrich vertragsgemäß ist.

 

Vermietung zum vorübergehenden Gebrauch - „Ausländische Verwurzelung“ ist kein Indiz

Bei einer Vermietung zum vorübergehenden Gebrauch gelten keine Schutzvorschriften zugunsten des Mieters z.B. über den Kündigungsschutz, die Sozialklausel, Schutz vor Mieterhöhungen (Mietpreisbremse) etc. Ein „vorübergehender Gebrauch“ liegt nicht schon bei einer vertraglichen Befristung der Gebrauchsüberlassung vor. Vielmehr muss nach dem Gebrauchszweck das Ende des Mietverhältnisses entweder zeitig genau fixierbar oder von einer Bedingung abhängig sein, deren Eintritt in naher Zukunft gewiss ist. Daher ist Wohnraum nur dann vorübergehend vermietet, wenn ein vorübergehender Sonderbedarfs gedeckt werden soll. Zu den typischen Fällen von vorübergehender Vermietung gehören somit die Vermietung von Hotelzimmern, Ferienwohnungen, Unterkünfte für die Dauer einer Messe, Unterbringung eines auswärti-gen Monteurs oder eines ausländischen Wissenschaftlers bis zur Erledigung des Arbeitsziels. Dagegen stellt bereits die Anmietung für die Dauer der Ausbildung keine vorübergehende Vermietung mehr dar. Dementsprechend hat das LG Berlin entschieden, dass weder eine „ausländische Verwurzelung“ des Mieters noch seine berufliche Situation allein ein Indiz für die Unterstellung der Absicht einer nur vorübergehenden Vermietung zu sein. Daher konnte dem mit seiner Familie in Toronto lebenden und dort verwurzelten Professor, der sich studienhalber ein halbes Jahr in Berlin aufhält, keine Wohnung zum nur vorübergehenden Gebrauch vermietet werden (LG Berlin, Urteil v. 21.09.2021, 65 S 36/21, GE 2022, S. 105).

 

Treppenhausreinigung - Umlage auch auf Erdgeschossmieter zulässig

Die Kosten der Reinigung des Treppenhauses können durch den Vermieter nach einem neuen Urteil des AG Brandenburg als Betriebskosten auf alle Wohnungsmieter umgelegt werden, selbst wenn einzelne Mieter nur die Kellertreppe dieses Treppenhauses benutzen. Die Kosten der Reinigung des Treppenhauses zählen zu den auf die Mieter des Hauses umlagefähigen Betriebskosten. Mit Ausnahme der Kosten für Heizung und Warmwasser, die nach den Bestimmungen der Heizkostenverordnung zu verteilen sind, können die Parteien den Umlageschlüssel für die Betriebskosten frei vereinbaren z.B. Abrechnung nach dem Anteil der Wohnflächen oder nach Kopfzahlen. Fehlt eine solche Vereinbarung, sind die Betriebskosten nach dem Flächenmaßstab d.h. nach dem Anteil der Wohnfläche umzulegen (§ 556a, Abs. 1, S. 1 BGB). Dabei ist nicht entscheidend, in welchem Umfang die Nutzung von gemeinschaftlich genutzten Räumen z.B. des Treppenhauses durch die Mieter tatsächlich erfolgt. Dies gilt sowohl für die Kosten der Reinigung des Treppenhauses als auch beispielsweise für die Kosten eines Aufzuges oder einer Gemeinschaftsantenne bzw. die Kosten der Beleuchtung von Eingang und Treppenhaus oder die Kosten der Gartenpflege (so bereits BGH, Urteil v. 20.09.2006, VIII ZR 103/06, NJW 2006, 3557). Eine nach der jeweiligen Verursachung oder tatsächlichen Nutzung differenzierende Umlage dieser Kosten auf die Mieter wäre vielfach nicht praktikabel und hätte eine erhebliche Unübersichtlichkeit und möglicherweise auch laufende Veränderungen in der Abrechnung zur Folge. Daher sprechen auf Seiten des Vermieters Gründe der Praktikabilität und auf Seiten des Mieters Gründe der Nachvollziehbarkeit und besseren Überprüfbarkeit der Abrechnung für eine generalisierende Betrachtungsweise. In dem vom AG Brandenburg entschiedenen Fall sah sich der Erdgeschossmieter durch die Umlage der Reinigungskosten des Treppenhauses auf alle Mieter benachteiligt. Allerdings lag nach Auffassung des Gerichts keine krasse Unbilligkeit vor, welche dem Mieter im Einzelfall einen Anspruch auf Umstellung des Umlagemaßstabes hätte eröffnen können. Dies wäre nur dann der Fall, wenn dem Mieter die Nutzung des Treppenhauses ausdrücklich vom Vermieter untersagt worden wäre. Dies war aber unstreitig nicht der Fall. Vielmehr nutzten die Mieter sogar unstreitig das Treppenhaus, zumindest um in ihren Keller zu gelangen. Die vereinbarte Umlage von Betriebskosten ist nämlich erst dann ausgeschlossen, wenn dem Mieter die Nutzung von Räumlichkeiten oder Einrichtungen aufgrund tatsächlicher Umstände oder vertraglicher Abreden objektiv unmöglich ist. Seine subjektive Entscheidung, von einer ihm eröffneten Nutzungsmöglichkeit - aus welchen Gründen auch immer - keinen oder nur einen geringen Gebrauch machen zu wollen, ist für die Umlagefähigkeit bedeutungslos.

 

Auch „kernsanierte“ Wohnung kann mangelhaft sein

Der Vermieter ist verpflichtet, die vermietete Sache während der gesamten Mietdauer in vertragsgemäßem Zustand zu erhalten d.h. er muss auf seine Kosten sämtliche notwendig gewordenen Verschleißreparaturen durchführen (§ 535 S. 1 BGB). Strittig ist dabei häufig, was „vertragsgemäß“ ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist vertragsgemäß der Zustand d.h. auch der Zuschnitt und die Ausstattung der Mietsache, die der Mieter zum Zeitpunkt der letzten Besichtigung vor Abschluss des Mietvertrags oder zu Beginn des Mietverhältnisses vorgefunden hat. Dies gilt auch ohne ausdrückliche mietvertragliche Regelung über Zustand und Ausstattung als konkludent vereinbart. Waren z.B. die sanitären Einrichtungen bei Beginn des Mietverhältnisses bereits 20 Jahre alt, ist dieser Zustand vertragsgemäß. Treten keine wesentlichen Verschlechterungen ein, kann der Mieter auch mehrere Jahre später nicht generell verlangen, dass die sanitären Anlagen erneuert werden. Eine entsprechende Verpflichtung des Ver-mieters besteht erst dann, wenn die sanitären Anlagen trotz der üblichen Pflegemaßnahmen infolge weiteren Verschleißes nicht mehr gebrauchsfähig sind. Diese Grundsätze gelten nach einem Beschluss des LG Hanau auch dann, wenn der Vermieter zugesichert hat, die Wohnung sei „kernsaniert“, die Wohnung aber zum Zeitpunkt der Anmietung deutlich erkennbar von einer „Kernsanierung“ weit entfernt war.

 

Nachmieter – Keine Mitwirkungspflichten des Vermieters

Ein Ersatzmieter, auch Nachmieter genannt ist ein Mieter, der in ein bestehendes Mietverhältnis als Ersatz für einen ausscheidenden Mieter eintritt und etwaige Pflichten des Vormieters hinsichtlich verbliebener Mietvereinbarungen gegenüber dem Vermieter uneingeschränkt übernimmt. Eine gesetzliche Definition dieses Begriffs existiert nicht. Ebenso wenig gibt es, entgegen einer weit verbreiteten Meinung, ein Recht des Mieters auf vorzeitige Entlassung aus dem Mietvertrag, wenn er dem Vermieter zumutbare Ersatzmieter anbietet. Ein entsprechendes Recht des Mieters besteht nur dann, wenn der Mietvertrag dies ausdrücklich vorsieht, z.B. durch eine Nachmieterklausel. Ist dies nicht der Fall, muss der Vermieter den Mieter nur dann vorzeitig aus dem Mietvertrag entlassen, wenn das Interesse des Mieters an der Vertragsauflösung dasjenige des Vermieters am Bestand des Vertrags erheblich überragt und der Mieter einen geeigneten Nachmieter stellt. Dabei treffen den Vermieter nach einem Urteil des AG Kiel keine Mitwirkungspflichten. Ferner hat der Vermieter im Rahmen der Vertragsfreiheit das Recht, sich seine Vertragspartner - zumal für ein unbefristetes Mietverhältnis - anhand von ihm gesetzter Kriterien auszusuchen. Dabei stellt der in vorliegendem Streitfall bestehende Grund für die Zurückweisung des Nachmieters, nämlich ein Einkommen des Bewerbers und der potenziellen Bürgin unterhalb des 3-fachen der monatlichen Miete ein plausibles und nachvollziehbares Kriterium für die Wahl des Vertragspartners dar. Die Ablehnung der Bewerber war daher nicht treuwidrig (AG Kiel, Urteil v. 29.03.2021, 109 C 58/20, ZMR 2021, S. 593).

 

Keine Mietminderung bei Verhinderung von Mangelbeseitigung

Wird der Wohnwert durch einen Mangel der Mietsache erheblich beeinträchtigt, ist der Mieter zur Minderung der Miete berechtigt. Die Höhe der Mietminderung bestimmt sich nach dem Ausmaß der Beeinträchtigung (siehe Mietminderungstabelle in Noack/Westner, Mietminderung, 1. Auflage 2019, Haufe). In dem vom LG Freiburg entschiedenen Fall hatten die Mieter in Absprache mit dem Vermieter die Beauftragung von Handwerkern zur Behebung von Mängeln übernommen. Der vereinbarte Termin zur Mangelbeseitigung fand allerdings nicht statt. Im Anschluss an den gescheiterten Termin hatten sich die Mieter entgegen ihrer Zusage, sich mit den Handwerkern zur Vereinbarung eines neuen Termins in Verbindung zu setzen, nicht mehr gemeldet. Dazu hatte bereits die Vorinstanz festgestellt, dass dies einer Verhinderung der Mangelbeseitigung gleichkommt und sich die Mieter daher nicht auf eine Minderung berufen können. Nachdem gem. § 536 c BGB bereits beim bloßen Unterlassen der Mangelanzeige an den Vermieter das Minderungsrecht entfällt, gilt dies erst recht, wenn der Mieter die Behebung des Mangels vereitelt. Dies wurde in der Berufungsinstanz vom LG Freiburg bestätigt mit der Begründung, dass sich ein Mieter der unberechtigt die Mangelbeseitigung verhindert nach den Grundsät-zen von Treu und Glauben gem. § 242 BGB nicht auf eine Minderung berufen könne. Der Vermieter muss so gestellt werden, als wenn er den Mangel nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge hätte beseitigen können. Der Mieter dürfe es nicht in der Hand haben, durch eigenes Handeln oder Unterlassen die Mangelsituation und damit die Minderung der Miete zu beeinflussen (LG Freiburg, Urteil v. 23.02.2022, 9 S 15/21).

 

Rechtsanwalt Rudolf Stürzer
Vorsitzender HAUS + GRUND MÜNCHEN

 

www.hug-m.de

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