Der Mietwohnungsbau ist tot. So kann man plakativ die Lage auf dem Markt zusammenfassen – bundesweit, in Bayern und auch in München. Laut dem Bayerischen Landesamt für Statistik ist die Zahl der Baugenehmigungen 2023 gegenüber dem Vorjahr von 65.306 auf 49.205 d.h. um 24,7 % gesunken. Noch schlechter schaut es bei den Baufertigstellungen aus. Diese sind gegenüber 2022 um 30 % gesunken. Nötig wären in Bayern jährlich 80.000 neue Wohnungen d.h. doppelt so viele wie zur Zeit gebaut werden. Dieser sog. Bauüberhang d.h. die Differenz zwischen erteilten Baugenehmigungen und tatsächlich erfolgten Baufertigstellungen ist in Bayern in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen
Der Mietwohnungsbau ist tot. So kann man plakativ die Lage auf dem Markt zusammenfassen – bundesweit, in Bayern und auch in München. Laut dem Bayerischen Landesamt für Statistik ist die Zahl der Baugenehmigungen 2023 gegenüber dem Vorjahr von 65.306 auf 49.205 d.h. um 24,7 % gesunken. Noch schlechter schaut es bei den Baufertigstellungen aus. Diese sind gegenüber 2022 um 30 % gesunken. Nötig wären in Bayern jährlich 80.000 neue Wohnungen d.h. doppelt so viele wie zur Zeit gebaut werden. Dieser sog. Bauüberhang d.h. die Differenz zwischen erteilten Baugenehmigungen und tatsächlich erfolgten Baufertigstellungen ist in Bayern in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen.
In München wurden im Jahr 2022 gerade mal 6.711 Wohnungen fertiggestellt. Zieht man den in München für einen Neubau i.d.R. notwendigen Abriss des Altbestandes ab, verbleibt ein Netto-Zuwachs von ca. 3.000 bis 4.000 Wohnungen. Nötig wären aufgrund von Zuwanderung und immer noch ansteigender Pro-Kopf-Wohnfläche ca. 12.000 neue Wohnungen pro Jahr. 7.000 aufgrund Zuwanderung zzgl. 5.000 aufgrund des steigenden Wohnflächenverbrauchs. Die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf hat sich in München in den letzten 50 Jahren von ca. 20 auf 40 m² verdoppelt und nimmt weiterhin um ca. 0,25 m² pro Kopf und Jahr zu. Daher müssten in München - allein um die Steigerung der durchschnittlichen Wohnfläche pro Kopf auszugleichen - jährlich über 5.000 Wohnungen gebaut werden (1,5 Millionen Einwohner x 0,25 m² = 375.000 m² Wohnfläche = 5.350 Wohnungen á 70 m²). Und: Die Bevölkerungsprognose der Stadt (Demografiebericht München) rechnet in den nächsten 16 Jahren bis 2040 mit einer Zunahme der Einwohnerzahl um ca. 200.000 auf 1,81 Mio., d.h. pro Jahr mit einer Zunahme von durchschnittlich 12.500 Einwohnern. Dies entspricht einem zusätzlichen Bedarf von 7.000 neuen Wohnungen pro Jahr.
Ein Rückblick
Schuld an dieser Misere im Wohnungsbau sind – so liest, hört und sieht man überall – die stark gestiegenen Hypothekenzinsen. Dies ist nicht falsch; aber nur die halbe Wahrheit. Für ein Hypothekendarlehen mit 10-jähriger Laufzeit müssen aktuell ca. 3,5 % Zinsen gezahlt werden. Anfang der 70er bis Mitte der 80er Jahre lagen die Hypothekenzinsen zwischen 8 bis 9 % d.h. mehr als doppelt so hoch wie heute. Trotzdem florierte der Wohnungsbau. Bundesweit wurden in dieser Zeit pro Jahr zwischen 400.000 und 700.000 Wohnungen gebaut; in München durchschnittlich ca. 10.000 pro Jahr. Für 2024 sind bundesweit gerade mal 214.000 Wohnungen prognostiziert d.h. weit weniger als die Hälfte als in Zeiten der Hochzinsphasen. In 2025 werden es lt. ifo-Institut bundesweit nur noch 175.000 Neubauwohnungen sein. Auch in München entstehen derzeit weniger als die Hälfte der Wohnungen als in den 80er Jahren. Fazit: Früher wurden bei mehr als doppelt so hohen Hypothekenzinsen mehr als doppelt so viele Mietwohnungen gebaut. Ursächlich für die Misere sind daher nicht die aktuell „hohen“, sondern die seit der Finanzkrise 2008 aufgrund der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) bis auf 0,5 % für 10-jährige Darlehen „abgestürzten“ Zinsen. Diese Niedrigzinsen haben die Immobilienpreise insb. in München geradezu explodieren lassen – auf das 3-, 5-, 7-fache und mehr (abhängig vom Objekt) innerhalb von wenigen Jahren. Dann die sprunghafte Erhöhung der Zinsen ab Ende 2022 sowie der Baupreise u.a. in Folge verschärfter energetischer Anforderungen an Neubauten. Diese haben sich lt. der „Kieler Arge“ in den letzten 20 Jahren vervierfacht (Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. – von der Bundesregierung anerkannte Bauforschungseinrichtung).
„Toxische“ Mischung
Diese toxische Mischung aus Bau- und Kaufpreisexplosion mit unmittelbar nachfolgendem Zinssprung um das Vierfache hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie gegeben. Dies hat zur Folge, dass sich der Bau bzw. Kauf von Mietwohnungen als Anlageobjekt betriebswirtschaftlich nicht mehr darstellen lässt.
Beispiel:
Der durchschnittliche Kaufpreis für eine Neubauwohnung in München hat sich in den letzten 10 Jahren von € 6.400 €/m² im Jahr 2014 auf aktuell € 13.000/m² mehr als verdoppelt. Eine 70 m² große Wohnung kostet somit durchschnittlich € 910.00. Hinzukommen Erwerbsnebenkosten wie Grunderwerbsteuer (3,5 %), Maklergebühren, Notar- und Grundbuchkosten i.H.v. ca. € 70.000. Insgesamt sind somit € 980.000 zu zahlen. Bei Einsatz von zinslosem Eigenkapital von 20 % muss der Käufer noch € 784.000 finanzieren. Die daraus resultierende monatliche Belastung des Käufers beträgt € 4.446 d.h. € 63,50/m². (€ 784.000 x 6,5 % = € 50.960 : 12 = € 4.246 zzgl. nicht umlegbare Nebenkosten ca. € 200 = € 4.446) : 70 m² = € 63,50/m²). Bei einer Miete von € 23/m² zahlt der Mieter € 1.610. Somit muss der Käufer – selbst bei Einsatz von 20 % zinslosem Eigenkapital - € 40/ m², d.h. € 2.836/Monat aus eigener Tasche drauflegen. Steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten reduzieren dieses Missverhältnis nur geringfügig; sie beziehen sich nur auf die Gebäude-, nicht auf die Grundstückskosten und sind letztlich nur der „Tropfen auf den heißen Stein“. Auch beim Erwerb einer gebrauchten Eigentumswohnung sieht die Rechnung für den Käufer kaum besser aus: Der Kaufpreis für eine gebrauchte Eigentumswohnung in München ist zwar in den letzten zwei Jahren von ca. € 9.800 auf € 8.500/m² gesunken. Eine 80 m² große Wohnung in mittlerer Lage kostet somit ca. € 680.000. Hinzukommen Erwerbsnebenkosten wie Grunderwerbsteuer (3,5 %), Maklergebühren, Notar- und Grundbuchkosten i.H.v. ca. € 50.000. Insgesamt sind somit € 730.000 zu zahlen. Die daraus resultierende monatliche Belastung des Käufers bei einem Darlehenszins von 3,5 % und 3 % Tilgung beträgt € 4.204. (€ 730.000 x 6,5 % = € 47.450 : 12 = € 3.954 zzgl. nicht umlegbare Nebenkosten für Instandhaltung und Verwaltung ca. € 250 = € 4.204). Umgerechnet auf die Wohnfläche muss der Käufer somit ca. € 52/m² monatlich zahlen. Die ortsübliche Miete beträgt dagegen „nur“ € 20/m² d.h. der Mieter zahlt monatlich € 1.600. Der Käufer müsste somit monatlich aus eigener Tasche € 32/m² d.h. € 2.604 drauflegen. Auch wenn der Käufer 20 % Eigenkapital zinslos zur Verfügung stellt, sieht die Rechnung kaum besser aus. Dann sind noch € 584.000 zu finanzieren; monatliche Belastung dann: € 3.413 (€ 584.000 x 6,5 % = € 37.960 : 12 = € 3.163 zzgl. nicht umlegbare Nebenkosten ca. € 250 = € 3.413 d.h. € 42,66/m²). Der Mieter zahlt monatlich € 1.600 (€ 20/m² x 80 m²). Der Käufer muss selbst bei Einsatz von zinslosem Eigenkapital € 1.813 monatlich „drauflegen“. Fazit: Eine monatliche Miete von € 42 bis € 63/m² ist – auch wenn sie nur kostendeckend ist – bereits juristisch problematisch; jedenfalls aber für die ganz große Mehrheit der Bürger unbezahlbar. Anderseits ist auch verständlich und nachvollziehbar, dass der Bauherr nicht bereit ist, Monat für Monat mehrere 1000 Euro aus eigener Tasche draufzulegen. Also: Stillstand! Die Folge: Auch gut situierte Mieter, die Wohnungseigentum erwerben wollten, haben diesen Wunsch zunächst zurückgestellt und sind in den Mietmarkt „geflüchtet“. Dies treibt die Nachfrage und damit auch die Mieten weiter nach oben. Befeuert wird diese Entwicklung noch dadurch, dass bis auf Weiteres nur noch wenige neue Wohnungen – diese fast ausschließlich die Eigennutzung – entstehen werden.
€ 20/m² - Marke überschritten
Dieses Szenario bleibt nicht ohne Auswirkung auf die Entwicklung der Mieten. Das Problem, dass im Großraum München die Nachfrage das vorhandene Angebot deutlich übersteigt, gibt es seit Jahrzehnten; wird aber jetzt durch den Stillstand der Bautätigkeit weiter verschärft. Der Mietspiegel 2023 hat gegenüber dem Mietspiegel 2021 bereits einen Mietsprung von € 12,05/m² auf € 14,58/m² ausgewiesen. Seitdem sind die Bestandsmieten durch die bis vor Kurzem galoppierende Inflation, die insb. die zahlreichen Indexmieten in München in die Höhe getrieben hat, weiter auf über € 16/ m² angestiegen. Bei Neuabschluss eines Mietvertrages liegen die Mieten lt. Immoscout inzwischen bei durchschnittlich € 21,10/m².
Weltweiter Anstieg der Immobilienpreise
Für ein Ende der Mietsteigerungen gibt es derzeit in Anbetracht der vorliegenden Parameter derzeit keine Anzeichen. Im Gegenteil: Wirtschaftsexperten erwarten weltweit hohe Anstiege der Immobilienpreise in den kommenden Jahren. Dies geht aus dem Economic Experts survey (EES) hervor, den das ifo-Institut und das Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik turnusmäßig durchführen. Demnach werden die Preise weltweit für Immobilien in den nächsten 10 Jahren im Mittel jährlich um 9 % ansteigen. In Österreich werden 6,9 %, in der Schweiz 4,8 % und in Deutschland eine Steigerung von 7,2 % jährlich erwartet. Die Mieten werden mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten und auch nicht Schritt halten können. Damit wird allerdings auch die Rentabilität und in Folge auch die Attraktivität des Wohnungsbaus weiter zurückgehen.
Rechtsanwalt Rudolf Stürzer
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