Balkon – Viertel oder eine Hälfte zur Wohnfläche?
Die Wohnfläche ist nach der Rechtsprechung des BGH auch bei freifinanzierten Wohnungen grundsätzlich nach den Bestimmungen zu berechnen, die bei Abschluss des Mietvertrags für den preisgebundenen Wohnraum gültig waren; d.h. bei Vertragsabschluss bis 31.12.2003 nach der II. Berechnungsverordnung (II. BV); ab 01.01.2004 nach der Wohnflächenverordnung (WoFlV).
Welche Bestimmungen für die Berechnung der Wohnfläche maßgeblich sind, hängt daher vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und nicht vom Zeitpunkt der erstmaligen Berechnung der Wohnfläche ab). Ein Unterschied besteht insbesondere bei der Anrechnung der Fläche eines zur Wohnung gehörenden Balkons. Diese ist nach der II. BV (bis 31.12.2003) zur Hälfte; nach der Wohnflächenverordnung (ab 01.01.2004) nur zu einem Viertel zur Wohnfläche zu rechnen. Die Überleitungsvorschrift des § 5 WoFlV, wonach es für eine bis 31.12.2003 nach der II. BV vorgenommenen Wohnflächenberechnung bei dieser Berechnung bleibt, ist nach Auffassung des BGH bei einem ab 01.01.2004 geschlossenen Mietvertrag nicht anwendbar, sofern nichts abweichendes vereinbart ist. Eine Vereinbarung, wonach die Wohnfläche nach der II. BV zu berechnen ist, ist jedoch auch in einem ab 01.01.2004 abgeschlossenen Mietvertrag wirksam (BGH, Beschluss v. 17.10. 2023, VIII ZR 61/23, WuM 2024, S. 136).
Mieterhöhung - Vermieter darf Wohnung mit Sachverständigen besichtigen
Für den Mieter von Wohnraum besteht nach der Rechtsprechung des BGH eine vertragliche (Neben-)Pflicht, dem Vermieter – nach entsprechender Vorankündigung – den Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren, wenn hierfür ein konkreter sachlicher Grund vorliegt, z.B. ein beabsichtigter Verkauf der Wohnung. Eine mietvertragliche Klausel, die dem Vermieter das Recht auf Routinebesuche einräumt, ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam (BGH, Urteil v. 14.06.2014, VIII ZR 289/13). Die Verpflichtung des Mieters zur Gewährung des Zutritts kann sich aus einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung ergeben (z.B. Besichtigungsrecht „aus besonderem Anlass“) oder aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB, BGH, Urteil v. 26.04.2023, VIII ZR 420/21, WuM 2023, S. 403). Dementsprechend ist der Mieter nach einem neuen Beschluss des BGH verpflichtet, dem Vermieter Zutritt auch in Begleitung eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu gewähren, den der Vermieter mit der Erstellung eines Gutachtens zur Höhe der ortsüblichen Miete beauftragt hat, damit das beabsichtigte Mieterhöhungsverlangen unter Beachtung sämtlicher Umstände des Einzelfalls d.h. auch des Erhaltungszustandes bzw. Instandhaltungsgrades der Räume rechtssicher vorbereitet werden kann. Das Grundrecht des Mieters aus Art. 13 Abs. 1 GG, in seinen Mieträumen weitgehend „in Ruhe gelassen zu werden“, tritt regelmäßig hinter dem über Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Recht des Vermieters zurück, eine am örtlichen Markt orientierte, die Wirtschaftlichkeit der Mietsache sicherstellenden Miete zu erzielen; zumal die mit einem Zutritt einhergehenden Beeinträchtigungen regelmäßig lediglich geringfügiger Natur sind. Dies gilt auch dann, wenn die Wohnung zur Begründung des Mieterhöhungsverlangens von dem Sachverständigen nicht unbedingt besichtigt werden muss, da der Vermieter ein schutzwürdiges Interesse daran hat, das Mieterhöhungsverlangen auch in materiell rechtlicher Hinsicht rechtssicher zu erklären (BGH, Beschluss v. 28.11.2023, VIII ZR 77/23, NZM 2024, S. 235).
Zahlungsverzug - Bei sofortigem Ausgleich kann Berufung auf Kündigung treuwidrig sein
Der Ausgleich der Mietrückstände unmittelbar nach Zugang des Kündigungsschreibens wegen Zahlungsverzugs kann bei tatrichterlicher Würdigung der konkreten Einzelfallumstände die Berufung auf die Kündigung wegen Zahlungsverzugs ausnahmsweise als treuwidrig erscheinen lassen. Dies gilt nach einem Urteil des OLG Brandenburg nicht nur bei Wohnungsmietverträgen, sondern auch im Gewerberaummietrecht, bei dem das Gesetz keine Heilungsmöglichkeit der Kündigung durch Nachzahlung der Rückstände vorsieht. Auch insofern kommt eine Treuwidrigkeit der Kündigung in Betracht, wenn der Zahlungsrückstand geringfügig oder inzwischen ausgeglichen ist. Kündigt der Vermieter das Mietverhältnis fristlos wegen Zahlungsverzugs, findet eine Berücksichtigung von persönlichen Umständen und Zumutbarkeitserwägungen grundsätzlich nicht statt. Vielmehr sind die allein auf dem Umstand des Zahlungsverzugs abstellenden Kündigungsgründe vom Gesetzgeber so konzipiert worden, dass bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen (Zahlungsverzug) bereits ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung gegeben ist und keinerlei Abwägungsvoraussetzungen zusätzlich erfüllt sein müssen. Denn nach der Gesetzessystematik und den hierzu zugrundeliegenden gesetzgeberischen Wertungen handelt es sich bei den im Gesetz aufgeführten, die (objektive) Verletzung bestimmter mietrechtlicher (Kardinal-) Pflichten von erheblichem Gewicht betreffenden Kündigungsgründe um gesetzlich typisierte Fälle der Unzumutbarkeit einer weiteren Fortsetzung des Mietverhältnisses. Sind deren tatbestandliche Vorsetzungen erfüllt, ist danach grundsätzlich auch ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung gegeben. Trotzdem kann im Einzelfall die Berufung auf die fristlose Kündigung treuwidrig sein. Der BGH weist daraufhin, dass zu prüfen ist, ob der Ausgleich der Mietrückstände unmittelbar nach Zugang des Kündigungsschreibens bei tatrichterlicher Würdigung der konkreten Einzelfallumstände die Berufung auf die ordentliche Kündigung ausnahmsweise als treuwidrig (§ 242 BGB) erscheinen lassen (BGH, Urteil v. 13.10.2021, VIII ZR 91/20). In dem vom OLG Brandenburg entschiedenen Fall bestand das Mietverhältnis über ein gewerblich genutztes Grundstück seit mehr als zwölf Jahren. Versehentlich unterblieb Ende 2018 die Zahlung von zwei Monatsmieten. Unmittelbar nach Zugang der darauf gestützten fristlosen Kündigung des Vermieters glich der Mieter die Rückstände vollständig aus. Das OLG Brandenburg sah die Berufung des Vermieters auf die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs als treuwidrig an, da der Mieter unmittelbar nach Erhalt der Kündigung den Rückstand ausgeglichen hat, in der Vergangenheit keine weiteren Zahlungsrückstände bestanden haben und keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es in Zukunft noch einmal zu Zahlungsrückständen kommen wird, da der Zahlungsverzug des Mieters zu dem auf einem Versehen beruhte (OLG Brandenburg, Urteil v. 29.11.2022, 3 U 93/21, ZMR 2023, S. 875).
Kündigung - Zerrüttung allein ist nicht ausreichend
Ein wichtiger Grund, der den Vermieter zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt liegt vor, wenn dem Vermieter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls insb. eines Verschuldens des Mieters und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 543 Abs. 1 BGB). In einem vom BGH entschiedenen Fall war das Mietverhältnis zwischen den Parteien aufgrund wechselseitig erfolgter Anschuldigungen erheblich belastet. Nachdem die ebenfalls im Haus wohnenden Vermieter auch gegenüber einer türkischstämmigen Familie im Haus erklärten, dass sich die Mieter in rassistischer Weise über Ausländer geäußert hätten, erstatteten die Mieter Strafanzeige wegen Verleumdung, da diese Aussage unzutreffend war und ergänzten die Strafanzeige wegen weiterer Beleidigungen, die ihnen und ihren Kindern gegenüber erfolgt sein sollen. Daraufhin kündigten die Vermieter wegen „Zerrüttung“ das Mietverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich. Die Räumungsklage blieb in allen Instanzen erfolglos. Eine solche Zerrüttung des Mietverhältnisses, die nicht auch auf ein pflichtwidriges Verhalten des Mieters zurückzuführen ist, rechtfertigt - so der BGH - für sich genommen keine fristlose Kündigung durch den Vermieter. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist ein wichtiger Grund zur Kündigung von Dauerschuldverhältnissen grundsätzlich nur gegeben, wenn der Grund, auf den die Kündigung gestützt wird, im Risikobereich des anderen Vertragsteils liegt d.h. das Vertrauensverhältnis durch pflichtwidriges Verhalten des Mieters so gestört ist, dass dem Vermieter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar ist. Beruht die Zerrüttung des Mietverhältnisses dagegen auf keinem pflichtwidrigen Verhalten des Mieters z.B. weil der Mieter bei seiner Strafanzeige gegen den Vermieter in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt hat, besteht für den Vermieter kein Kündigungsgrund (BGH, Urteil v. 29.11.2023, VIII ZR 211/22, GE 2024, S. 237). Auch unwahre Behauptungen über den Vertragspartner rechtfertigen eine Kündigung nur dann, wenn die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den anderen Vertragspartner deshalb unzumutbar ist. Dies ist z.B. nicht der Fall, wenn die Äußerungen des Mieters zur Abwehr einer unberechtigten Kündigung des Vermieters dienten, da eine solche unberechtigte Kündigung selbst eine Vertragsverletzung des Vermieters darstellt. Insofern sind in die Abwägung alle Umstände, auch das frühere Verhalten des Kündigenden (hier: des Vermieters) mit einzubeziehen, wozu auch z.B. Beleidigungen des Mieters durch den Hausverwalter gehören, da dieser dem Risikobereich des Vermieters zuzurechnen ist (BGH, Urteil v. 25.10.2023, VIII ZR 147/22, GE 2024, S. 37).
Schönheitsreparaturen - Mieter muss unrenovierten Zustand beweisen
Der Mieter kann nach ständiger Rechtsprechung des BGH auch formularmäßig d.h. durch eine vorgedruckte Klausel in einem Mietvertrag zur turnusmäßigen Durchführung von Schönheitsreparaturen, d.h. der Malerarbeiten an Wänden und Decken, an Fenstern, Innentüren und Heizkörpern verpflichtet werden. Dies gilt nach der neueren Rechtsprechung des BGH allerdings nur dann, wenn dem Mieter bei Mietbeginn eine renovierte Wohnung überlassen wurde oder dem Mieter bei Überlassung einer un-renovierten Wohnung ein angemessener Ausgleich gewährt worden ist (BGH, Urteil v. 18.03.2015, VIII ZR 185/14). Strittig war bislang, wer bei einem Streit über die Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen die Beweislast trägt – der Vermieter dafür, dass die Wohnung bei Mietbeginn renoviert war oder der Mieter dafür, dass sich die Wohnung in unrenoviertem Zustand befand. Dazu hat der BGH jetzt in letzter Instanz entschieden, dass Vornahmeklauseln d.h. Klauseln, die den Mieter zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichten, nach ständiger Rechtsprechung des BGH zulässig sind und es daher nach allgemeinen Grundsätzen dem Mieter obliegt, den für ihn günstigen Umstand „unrenoviert oder renovierungsbedürftig übergebene Wohnung“ zu beweisen (BGH, Beschluss v. 30.01.2024, VIII ZP 43/23, WuM 2024, S. 192).
Schönheitsreparaturen - Quotenklausel kann ausgehandelt werden
Sog. Quotenabgeltungsklauseln, wonach der Mieter einen prozentualen, seiner Mietzeit entsprechenden Anteil an den Renovierungskosten zahlen muss, wenn er vor Ablauf der vertraglichen Renovierungsfristen auszieht und daher zur Durchführung von Schönheitsreparaturen nicht verpflichtet ist, sind nach der neueren Rechtsprechung des BGH unwirksam. Dies gilt unabhängig davon, ob die Wohnung dem Mieter zu Beginn des Mietverhältnisses renoviert oder unrenoviert überlassen wurde (BGH, Urteil v. 18.03.2015, VIII ZR 21/13). Im Gegensatz zu seiner früheren Rechtsprechung, in der der BGH die Wirksamkeit solcher Klausel mehrfach bestätigt hat (u.a. Urteil v. 16.06.2010, VIII ZR 280/09), sieht der BGH nunmehr eine unangemessene Benachteiligung des Mieters darin, dass der Vermieter wegen der zwingend flexiblen Renovierungsfristen den auf den Mieter entfallenen Kostenanteil nicht mehr verlässlich ermitteln könne. Daher sei für den Mieter bei Abschluss des Mietvertrags nicht mehr klar und verständlich, welche Belastung ggfs. auf ihn zukommt. Dies stelle eine unangemessene Benachteiligung des Mieters dar und führe zur Unwirksamkeit von Quotenklauseln. Nach einem neuen Urteil des BGH gilt dies allerdings nur dann, wenn es sich um eine formularmäßige Quotenklausel d.h. um eine Klausel handelt, die in einem Formularmietvertrag enthalten ist. Dagegen ist nach diesem neuen Urteil des BGH eine individualvertragliche, d.h. zwischen den Parteien ausgehandelte Vereinbarung über eine quotenmäßige Beteili-gung des Mieters an den Kosten der Schönheitsreparaturen wirksam. Dies setzt allerdings voraus, dass der Vermieter die Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und der Mieter Gelegenheit hatte, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung einzubringen z.B. über ein Entgegenkommen des Vermieters bei der Miethöhe als Ausgleich für die quotenmäßige Beteiligung des Mieters an den Schönheitsreparaturen (BGH, Urteil v. 06.03.2024, VIII ZR 79/22, WuM 2024, S. 195).
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